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Intermezzo auf der Nordinsel

 

Nach über 10 Wochen unterwegs tat es gut wieder zu Hause zu sein. Unser Bus sprang anstandslos an und schnurrte wie ein Riesen-Kätzchen über die unbefestigte, holprige Straße nach Kerikeri - Northland hatte uns also wieder. 

Unsere Freunde bei denen unser Bus während unserer Abwesenheit untergestellt war, hatten ihrerseits einen Australienurlaub gebucht und so waren wir für eine Weile House-Sitter - 2 Hunde, 2 Kühe, 1 Pony und viele Pflanzen wollten umhegt werden.

Hierbei hatte ich ein sehr schräges Erlebnis - Noula, eigentlich eine Kuschel-Kuh - war brünstig und begann das Pony zu bespringen - offenbar ein normales Verhalten. Als ich ihr beim Erweitern der Weide ahnungslos den Rücken zudrehte, probierte sie das dann auch bei mir. Mit den Kuh-Hufen auf den Schultern bin ich auf der Stelle eingeknickt und fand mich auf dem Boden wieder. Noula war erstmal perplex und hat mich nur ungläubig angestarrt. So ist mir außer einem verknacksten Fuß zum Glück nichts passiert und ich konnte verwirrt von der Weide humpeln. Tja, wer kann schon von sich behaupten, mal von einer Kuh besprungen worden zu sein …

 

 

Wir hatten schon vor langer Zeit Konzertkarten gekauft - das Mission Estate Weingut in der Hawks Bay veranstaltet regelmäßig Events, und wir hatten Lust, uns mal Robbie Williams anzugucken …

Also machten wir uns gemächlich auf den Weg nach Süden. Auf einem unserer Lieblingsplätze, Rays Rest, unweit von Auckland, hatten sich in den letzten Monaten große Schwärme von Oystercatchern eingefunden. Die Vögel hatten sichtlich ihre wahre Freude, wenn bei Ebbe eine große Wattlandschaft entsteht und lauter Leckerbissen erbeutet werden können. Was Rays Rest für mich so besonders macht, ist das leise Geräusch, mit dem sich bei Flut das Wasser anpirscht. Da der Firth of Thames an dieser Stelle extrem flach ist, klingt es fast so, als würde das Meer verheißungsvoll wispern, wenn es sich langsam über das Watt wieder anschleicht.

 

 

Auf dem Weg in die Hawks Bay sah man noch Reste der Verwüstung, die der Zyklon Gabrielle vor gut 9 Monaten angerichtet hatte. An den Flussufern lagen angeschwemmter Baumstämme, im Tal hatte man die Schlammassen zu großen Haufen zusammengeschaufelt, überall standen zerstörte Häuser, selbst vor Eisenbahnschienen hatte der Zyklon nicht Halt gemacht - hier waren Naturgewalten am Werk.

 

Im Ramen des Konzerts war unweit der Bühne auf einer Wiese ein Camper-Übernachtungsplatz eingerichtet worden. Hier fühlte man sich wie auf einer Wohnmobil Börse - so ziemlich jedes Modell war vertreten, man stand zwar eng an eng, aber für eine Nacht war das okay. Dann, auf dem Venue angekommen, spürte ich wieder, warum ich mich in Neuseeland so wohl fühle. Es gab kaum Security, die ganze Atmosphäre war angenehm entspannt, und auch wenn ein paar Leute etwas zu viel getrunken hatten - wir waren ja auf einem Weingut, ha-ha - war alles extrem friedlich. In den Pausen zwischen den Supporting Acts sammelten Leute Spenden für die Zyklon Geschädigten und schließlich kam Robbie Williams auf die Bühne. Ich muss sagen, ich war beeindruckt. Er ist einfach ein Mega-Entertainer. Die Show war perfekt gestylt, er war die ganze Zeit im engen Kontakt mit dem Publikum und sprach immer wieder über sein Leben - über seine Unsicherheiten, Selbstzweifel, Depressionen, Drogenexzesse und wie er das überwunden hat - Hut ab, sich vor 25.000 Leute zu stellen und sich so verletzlich zu zeigen …

 

 

Nach dem Konzert sind wir relativ zügig Richtung Wellington gefahren - Freunde treffen, Steuerberater, Zahnprophylaxe - und eigentlich hatten wir vor, wieder die Fähre auf die Südinsel zu nehmen. Doch dann haben wir uns umentschieden. Da die Synchron-Auftragslage durch den Autoren- und Schauspieler-Streik in Hollywood vermutlich auch in den nächsten 2 bis 3 Monaten noch recht dürftig sein wird, haben wir beschlossen, wieder nach Australien zu fliegen und diesmal einen Großteil des Sommers dort zu verbringen. Und wenn uns (hoffentlich) ein Auftrag auf den Tisch flattert, arbeiten wir eben in Aussie - das haben wir ja während unserer ersten Australien-Reise auch gemacht … Jedenfalls hieß es diesmal - keine Südinsel …

 

Wellington empfing uns mit quasi April-Wetter - stürmisch kalte und verregnete Tage wechselten sich mit wunderschönstem Sonnenschein ab - und als wir alles Organisatorische erledigt hatten, haben wir einen Ausflug nach Kapiti Island gemacht. Wir hatten diesbezüglich schon diverse erfolglose Anläufen unternommen, aber immer war irgendetwas - es gab keine Touren wegen Covid oder Erdrutschen nach Unwettern, oder, oder … Aber diesmal hat es endlich geklappt.

 

Die ratten- und possumfreie Insel ist ein Vogelschutzgebiet und demnach ein Vogelparadies. Die Umweltschutzbehörde DOC achtet peinlichst darauf, dass ja nichts eingeschleppt wird - man durchläuft einen kleinen Biosecurity Check, bevor man aufs Boot darf - wie bei der Einreise nach Neuseeland.

Kapiti Island hat eine bunte Vergangenheit und hier wurden früher eher große Umweltsünden begangen - Walfänger waren dort stationiert, der Waldbestand ist zu Farming Zwecken noch bis vor 30 Jahren total abgeholzt worden, um nur zwei Beispiele zu nennen - heute kümmert man sich liebevoll um diverse vom Aussterben bedrohte Vogelarten, unter anderem um eine kleine Kiwi Kolonie und um Hihis. Das sind süße kleine Vögelchen (auf deutsch Stichvögel), die in Neuseeland endemisch sind und schon kurz vor der Ausrottung standen.

 

Das Speedboot, das uns auf die Insel brachte, wurde Neuseeland typisch mit einem Traktor vom Strand aus ins Wasser gezogen. Drüben angekommen erwartete uns ein Wanderweg auf den über 500 m hohen Berg, der zentral auf der kleinen Insel thront. Vom Gipfel aus hat man bei klarer Sicht einen Rundumblick auf die Nord und Südinsel. Man kann sogar die Vulkane im Zentrum der Nordinsel erspähen, Richtung Nord-Westen den allein stehenden Taranaki und in Richtung Süden die Marlborough Sounds und den Abel Tasman National Park. Also haben wir den recht steilen Aufstieg begonnen.

Leider war das Wetter durchwachsen und die Sicht getrübt - so haben wir an der Hihi Fütterungs-Station länger Halt gemacht. Dort herrschte ein buntes Treiben und ein zauberhaftes Gezwitscher lag in der Luft - Hihis sind wohl recht redselig - aber auch andere Vögel versuchten an das leckere Futter zu gelangen. Wir konnten einen Tui beobachten, der vergeblich versuchte, seinen Kopf durch das kleine Flugloch zu zwängen - leider nicht zu fotografieren … Am Boden saßen Kakas und Wekas und wollten den Proviant aus unseren Rucksäcken klauen, es war richtig was los. So sind wir bestimmt eine Stunde dort hängen geblieben, wir konnten uns gar nicht satt sehen und hören. In der Folge haben wir auf den Aufstieg auf den Berg verzichtet - das machen wir dann eben ein andermal …

 

 

Als uns die Sehnsucht nach sommerlichen Temperaturen überkam, sind wir gemächlich wieder Richtung Northland aufgebrochen. Auf den Straßen waren inzwischen immer mehr Camper unterwegs, die Touristen-Saison hatte begonnen, und so manch schöner Stellplatz war überfüllt. Das hat uns eine Nacht an einem Fluss neben einer Eisenbahnbrücke eingebracht. Während es Peer gelungen ist, wie ein Engel neben mir zu schlafen und die Züge zu ignorieren, die gefühlt durch unseren Bus ratterten, habe ich nur sehr sporadisch Schlaf gefunden. So muss der Mount Manganui bei Tauranga, den wir eigentlich erklimmen wollten, auch noch warten, denn wir sind mehr oder weniger fluchtartig weitergezogen. 

 

 

Dann standen die Weihnachtszeit und der Beginn der Sommerferien vor der Tür … Da die Kiwis traditionell über Weihnachten/Neujahr bis weit in den Januar hinein gerne campen gehen, müssen wir immer gucken, wo wir bleiben. Diesmal haben wir wieder bei unseren Freunden bei Kerikeri Station gemacht. Die haben eigentlich immer ein volles Haus und am 26.12. (Boxing Day) gibt es zudem - ebenfalls traditionell - eine große Party …

 

Das Wasser in der Bucht wurde tagtäglich wärmer und so waren wir viel schwimmen - zusammen mit Derek! Derek ist eine Ente, die Sjoerd als Küken gerettet und aufgepäppelt hat. Er hat Derek das Fliegen beigebracht, ein lustiges Unterfangen, wenn man selbst nicht fliegen kann. Dazu hat er ihn irgendwann aus etwa 2 m Höhe über dem Wasser in die Luft geworfen und siehe da - Derek ist geflogen. Inzwischen dreht er regelmäßig seine Runden über der Bucht und lebt weiterhin bei der Familie. Und wann immer jemand ins Wasser geht, gesellt er sich dazu. Es ist sooo süß, mit einer zahmen aber wilden Ente zu schwimmen!

 

 

Nach gut zwei Wochen haben wir uns dann verabschiedet - nach dem Motto im Herbst kommen wir wieder - und haben langsam den Weg nach Auckland angetreten. Das halbjährliche COF, der hiesige TÜV, stand an - zum Glück ist unser Bus problemlos durchgeflutscht - und bis zu unserem Abflug nach Sydney waren es auch nur noch zwei Wochen. Außerdem wollten wir die arbeitsfreie Zeit dazu nutzen, endlich ein paar Dinge in und an unserem rollenden Zuhause zu machen, die schon lange anstanden. So haben wir uns auf einem schönen DOC Campground niedergelassen und Roststellen behandelt, chaotisch bestückte Schrankfächer sortiert und ähnliches - es wurde quasi ein Frühjahrsputz, der noch nicht beendet ist - in einem über 30 Jahre alten Bus gibt es immer etwas zu tun.

Kurz vor unserem Abflug haben wir dann ein - für uns neues - zauberhaftes Fleckchen entdeckt - Hamiltons Gap an der Westküste, südlich von Auckland. Ein weiter leerer schwarzer Sandstrand lädt zu langen Spaziergängen ein und das Meer hat eine für Neuseeland angenehme Temperatur. Die Strömung ist Westküsten-typisch heftig und so kann man sich nur bei Ebbe und auch dann nur bis zu den Knien in die stetig anbrausenden Wellen wagen. Der Stellplatz in Strandnähe war trotz Ferienzeit relativ leer und so konnten wir dort noch ein paar schöne Sommertage vor unser Abreise nach Sydney genießen. 

 

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Kommentare: 8
  • #1

    Annette R. (Donnerstag, 18 Januar 2024 06:28)

    Es macht so viel Spaß, mit euch zu reisen!
    Ich freue mich jedesmal für euch ❤️❤️

  • #2

    Christoph (Donnerstag, 18 Januar 2024 09:47)

    Liebe Rike
    Soooo schön geschrieben.
    Danke fürs teilhaben.
    Liebe Grüße
    AuC

  • #3

    Klaus-Peter Grap (Donnerstag, 18 Januar 2024 10:37)

    Ente gut -alles gut. Danke fürs Teilhabenlassen!

  • #4

    Gabi K (Donnerstag, 18 Januar 2024 11:05)

    AAAAAAHHHHHHHH!!!!!! Es ist einfach Wahnsinn, auf eurer Reise dabeizusein. Und das alles zu lesen: vom Traumwetter (hier grad übelster Winter), vom Pendelnlassen, von den charaktervollen Viechern, die euch begegnen und und und. Genießt Australien und freu mich auf mehr. Liebe Grüße Gabi

  • #5

    Erik Paulsen (Donnerstag, 18 Januar 2024 12:07)

    Danke für diesen und die vielen anderen tollen Berichte!

  • #6

    Viola (Donnerstag, 18 Januar 2024 13:26)

    Ich liebe es wie du schreibst. Bin immer ganz im Thema und habe das Gefühl selbst dort gewesen zu sein. Danke dafür und euch weiterhin schöne Abenteuer. Eine schöne Zeit in Australien. Liebe Grüße aus dem verschneiten Lichtenrade.

  • #7

    Antje (Sonntag, 21 Januar 2024 13:10)

    Vielen Dank für den wieder so wunderbaren Reisebericht & die tollen Fotos, die Sehnsucht wecken ! Umarmung & liebe Grüße aus dem verschneiten Berlin �

  • #8

    Reinhard (Donnerstag, 25 Januar 2024 21:02)

    Wunderschöne Bilder! Und immer interessante und spannende Erzählungen, vielen Dank dafür!