Auf unserer Reise waren wir immer wieder - mal kürzer mal länger - in Berlin - also sollte ich darüber auch etwas schreiben - nur was?
Berlin - hier bin ich groß geworden, hier habe ich 50/60 Jahre meines Lebens verbracht - die Stadt fühlt sich seltsam vertraut und gleichzeitig seltsam fremd an.
Als wir vor drei Jahren schon mal hier waren, habe ich es noch nicht gewagt, mich mit der Stadt zu verbinden - ich musste mir wahrscheinlich noch beweisen, dass unser Schritt wegzugehen, für mich stimmig war. Das war diesmal anders ... Wir sind eingetaucht, sind auf der Memory Lane entlang spaziert, haben das Schöne und das Gruselige geschmeckt, haben uns eingelassen, gespürt, was uns fehlt, was uns so gar nicht fehlt, was diese Stadt so faszinierend und was sie anstrengend macht, wir sind mit den Öffies, den Öffentlichen Verkehrsmitteln, rauf und runter gefahren, mit wachen Augen, es gab Dinge, die uns erschreckt haben und immer mal wieder gab es ein Staunen - es war intensiv!
Ich widme diesen Blogeintrag den Dingen, die bleiben und denen, die sich verändern ...
Das Haus, in dem ich groß wurde, steht noch - war es damals sozialer Wohnungsbau so beherbergt es heute teure Eigentumswohnungen und die Reichssportfeldstraße wurde politisch korrekt in Jesse-Owens-Allee umbenannt. Auch die dicke Wirtin am Savingyplatz, Stammkneipe meiner Klicke als ich 16/17 war, existiert noch - dort habe ich mir mit meinen studierenden Mitbewohnern die Nächte um die Ohren gehauen - wenn ich, die einzige 'noch Schülerin', dann Mittags aus der Schule nach Hause kam, lagen die Studies meistens noch im Bett ...
Persico gibt es nicht mehr, so einen ekligen marzipanhaltigen, roten Likör-Schnaps, der damals total 'in' war und zu fürchterlichen Abstürzen führen konnte. Der floss auch im Mengen im Quasimodo, einem Club, der bis heute überlebt hat, in dem alle Bands, die in dieser Stadt Rang und Namen hatten, aufgetreten sind. Viele internationale Künstler haben dort übrigens nach ihren Konzerten in einer der großen Hallen quasi inkognito zum Spaß noch eine Zugabe gegeben ...
Ein Großteil der Diskotheken, in denen wir damals abhingen, existieren nicht mehr - wie das legendäre Linientreu. Das Far Out, die ehemalige Sanyassin Disko gibt es zwar noch, aber dort geht man nicht mehr hin - gegenüber residiert übrigens seit vielen Jahren die Schaubühne. Um die Ecke war der Athener Grill, in dem es die ganze Nacht hindurch u.a. Pizza für eine Mark gab, auch der hat dem Ku-Damm-Schick weichen müssen.
Im Marmorhaus, in dem ich meine ersten Kino Erlebnisse hatte, ist heute ein Apple Store, viele, der alten Kinos beherbergen in zwischen Supermärkte, die alte Prachtmeile Ku-Damm hat ihren Charme verloren und ist inzwischen nur noch ein Einkaufs-Boulevard.
Das Krematorium Wedding ist heute ein Veranstaltungsort mit beeindruckender Akustik. Der Name zeugt von makabrem Humor - Silent Green ... Das weckt Assoziation an den Filmklassiker 'Soylent Green - 2022, die überleben wollen' ...
Die Linie 1 fährt in der alten Streckenführung nur noch im Grips Theater - dort haben wir die 2.077ste Vorstellung dieses Musical Klassikers gesehen - über ein Mädchen aus Westdeutschland, das 1986 nach West-Berlin kommt und in der U-Bahn so Allerlei erlebt. Für mich war das in mehrerer Hinsicht eine Reise in die Vergangenheit - war ich doch im Grips kurz nach dem Abitur als Musikerin tätig. Dort nahm dann mein Berufswunsch Gestalt an, auch Schauspielerin zu werden.
Berlin ist immer noch ein Platz für das Skurrile - so haben mehrere Köche, die in Sterne-Restaurants tätig waren, eine alte Eckkneipe aufgekauft und servieren dort einfache Berliner Hausmannskost - der Laden brummt.
Und Berlin ist immer noch eine riesige Baustelle, die für permanantes Verkehrs-Chaos sorgt. Nachdem ein paar Stadtautobahn-Brücken wegen Einsturzgefahr abgerissen werden mussten, kommt der
Verkehr in dem Bereich täglich zum Erliegen. Die Öffies fahren zwar, aber mit fröhlicher Unregelmäßigkeit - Zugausfälle sind die Regel - wir können nach nur wenigen Wochen ein Lied davon
singen.
Der Schlachtensee war für uns eine grüne Oase, auch das ist Berlin und dort konnten wir immer wieder durchatmen ...
Wir haben uns jedenfalls eine volle Berlin-Dröhnung gegeben - haben Biergarten-Hopping gemacht, wenn wir uns mit Freunden getroffen haben, haben nach ersten Erfahrungswerten die zu Stoßzeiten überfüllten U-Bahn Linien 7 und 8 gemieden, haben all die leckeren Dinge gegessen, die es in Neuseeland nicht gibt, auch eine Currywurst auf dem Herrmanplatz musste sein, wir haben erschöpft tatsächlich zum ersten Mal in unserem Leben mittags auf einer Parkbank geschlafen und ja, wir haben gemerkt, was wir vermissen und was wir nicht vermissen - es waren intensive Wochen!
Berlin - danke für alles, wir kommen bestimmt irgendwann wieder!
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